Beispiel 1: Der Wandel von Diskursen am Beispiel “Krise”

Zunächst wollen wir, gestützt auf das digitale Archiv der Wochenzeitung “Die Zeit”, das Stichwort “Krise” in den Blick nehmen, s. Beispiel Krise .

Als Ausgabeformat (FORMAT) haben wir die Wortwolke (Cloud) gewählt. Die mit “Krise” gemeinsam vorkommenden Wörter werden auf die jeweilige Grundform abgebildet. Auch wenn es also z.B. in den verschiedenen Texten ernste Krise heißt, wird als (häufig) vorkommendes Wort die Grundform “ernst” angezeigt.

Im obigen Beispiel werden für jede Dekade (also ein Zeitabschnitt, der SLICE genannt wird und im Beispiel auf ‘10’ für “zehn Jahre” eingestellt ist) die 10 stärksten Kollokationen angezeigt (Wert ‘10’ für KBEST). Die Skala an der linken Seite zeigt die Stärke der angezeigten Kollokationen mit Krise: Ein dunkles Rot steht für eine starke Kollokation (z.B. “schwer” in den 1940er Jahren), je mehr sich die Beschriftung Richtung gelb, grün oder blau verschiebt, desto schwächer die Bindung (“wirtschaftlich” in den 1940er-Jahren).

Die Zeitleiste am oberen Rand der Begriffswolke ermöglicht die Navigation zwischen den Zeitabschnitten. Durch Klicken auf eine der angezeigten Jahreszahlen kann gezielt ein bestimmter Zeitabschnitt angewählt werden. Klicken wir etwa auf das Jahr 1990, sehen wir eine veränderte Wortwolke, in der sich “schwer” leicht abgeschwächt hat, “italienisch” sowie einige weitere Kollokationen verschwunden und “Golf” bzw.“Asien” neu hinzu gekommen sind.

Alternativ wird nach einem Klick auf die Abspiel-Taste oben links eine Animation über den gesamten Zeitraum gezeigt. Die Geschwindigkeit der Animation kann mittels der an einen Lautstärkeregler errinnernden Schaltfläche direkt daneben angepasst werden.

Um einen bestimmten Zeitabschnitt wie die Finanz- und Eurokrise seit 2008 genauer zu untersuchen, können wir die Zeitintervalle verkleinern (z.B. SLICE=2 für Abschnitte von jeweils zwei Jahren), den betrachteten Zeitraum einschränken (z.B. DATE(S)=2008:2015) und die Zahl der angezeigten Kollokatoren erhöhen (KBEST: 20).

Wenn wir die Animation über die Zeit ablaufen lassen, sehen wir, dass im Zeitabschnitt 2010/2011 Finanzmarkt und Wirtschaft eng mit Krise verbunden sind, 2012/2013 Eurozone auftaucht und im letzten Zeitabschnitt Ukraine und Russland hinzukommen. In den beiden letzten Zeitabschnitten findet sich auch das Wort “sportlich”. Wer diese Wortverbindung, oder irgendeine andere, ungewöhnlich findet, kann diesen Beleg direkt zu den Fundstellen, d.h. den Belegen im Korpus, zurückverfolgen (wodurch eine punktgenaue Analyse ermöglicht wird). Um zum Beispiel herauszufinden, welche sportlichen Krisen Eingang in die ZEIT fanden, können wir auf “sportlich” klicken und erhalten ein kleines Fenster mit Detailinformationen.

/ADJA hinter “sportlich” gibt an, dass es sich dabei um ein (attributives) Adjektiv handelt. Das Anklicken von KWIC (kurz für Keyword in context, zu deutsch Schlüsselwort im Kontext) zeigt die entsprechenden Belegstellen. Es zeigt sich, dass sich das Formel-1-Team von Williams, der Golfspieler Tiger Woods wie auch eine ganze Reihe von Fußballspielern 2012 bzw. 2013 in einer sportlichen Krise befanden. Eine vollständige Liste der hier verwendeten Wortartentags des Stuttgart-Tübingen-Tagsets (STTS) befindet sich unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/pos.

Ein Klick auf einen Eintrag in der zweiten Spalte, also die Angabe zur Fundstelle des Belegs ([zeit:2012/01/06/motorsport_williams_i...] usw.) führt zum vollständigen Artikel, in diesem Fall im Archiv von zeit.de.

Dieses Beispiel verdeutlicht ein Phänomen, das bei einer Korpus-Analyse stets mit bedacht werden sollte: Dass “sportlich” im untersuchten Zeitraum plötzlich als neuer Kollokator auftaucht, ist wohl kaum einer stärkeren Krisenhaftigkeit im Sport zuzuschreiben. Hinter dieser plötzlichen Häufung steht viel eher der stark gewachsene Anteil von Agenturmeldungen auf zeit.de sowie die Einführung eines eigenen Sport-Ressorts in der Druckausgabe der ZEIT. Zusammen führt dies dazu, dass typische Wendungen aus der Sportberichterstattung ab diesem Zeitpunkt auch in den Analysen prominenter werden. Man erhält mit dieser Art der Analyse also nicht nur Informationen darüber, was in der Welt geschieht, sondern auch über die journalistische Praxis der Darstellung dieser Ereignisse, entweder in einer einzelnen Zeitung oder zeitungsübergreifend.