Beispiel 3: am Beispiel “observieren” und “Maus” - der Wandel von Bedeutungen

Wenn man (mit Wittgenstein) die Bedeutung eines Wortes als dessen Gebrauch in der Sprache auffasst, dann kann man aus dem Wandel der (typischen) Verwendungsweisen auf einen Wandel in der Bedeutung schließen. Dies soll an zwei Beispielen mit unterschiedlichem Zeithorizont gezeigt werden: “observieren” und “Maus”.

Für das Stichwort “observieren” gibt es ausreichend Daten im Deutschen Textarchiv aus dem Zeitraum von 1670–1729. Wenn man diesen Zeitraum als Untersuchungszeitraum auswählt (DATE=1670:1729), in Dekaden aufteilt (SLICE=10) und pro Dekade die häufigsten 10 anzeigen lässt (KBEST=10), dann sieht man, dass das Wort im Sinne eines “Beobachtens” verwendet wird, das sich (wissenschaftlich) auf die Gestirne (“Mond, Stern, Jupiter”), ansonsten auf die Jagdobjekte (“Jäger”) und Feinde (“Feind, Festung”) richtet. Daneben gibt es Belege (mit unspezifischeren Kollokatoren), die auf eine Verwendung des Stichworts in einem Sinn hindeuten, den man in heutiger Ausdrucksweise mit “beachten” benennen würde. Beide Bedeutungen werden im Übrigen in dem entsprechenden Eintrag in der Erstbearbeitung des Deutschen Wörterbuchs nicht unterschieden. Hier reichte dem Autor des Artikels der Verweis auf das französische observer (s. http://www.dwds.de/wb/dwb/observieren ).

Anders sieht das Bild im Zeitungskorpus des DWDS aus. Hier gibt es ausreichend Daten für den Zeitraum zwischen 1980 und 2010, und es steht dort klar der Aspekt des “Überwachens” als Maßnahme der staatlichen Kontrolle im Vordergrund, wie sich an der Auswahl der typischen Handlungsträger - es observieren Polizei und Verfassungsschutz, observiert werden u.a. Scientology, Journalisten und Terrorhelfer - erkennen lässt.

Andere Arten des Observierens spielen keine oder nur eine sehr geringe Rolle im gegenwärtigen Sprachgebrauch. Wir haben es also mit einem Fall von Sprachwandel als Bedeutungsverschiebung zu tun. Wann und über welchen Zeitraum diese Bedeutungsverschiebung stattfand, das lässt sich anhand der vorhandenen Korpora nicht ermitteln, da es für die Zeit zwischen 1760 und 1980 an ausreichenden Daten fehlt - das Deutsche Textarchiv liefert für observieren in diesem Zeitraum nur 76 Treffer.

Die Suche nach Kollokationen kann nur dann verlässliche Ergebnisse liefern, wenn das Stichwort im untersuchten Zeitraum ein Mindestmaß an Nennungen erreicht.

"observieren" im zeitlichen Verlauf anhand des DTA-Korpus historischer Werke

"observieren" im zeitlichen Verlauf anhand des DWDS-Zeitungskorpus

Ein weiteres Beispiel für den Bedeutungswandel, diesmal eine Bedeutungserweiterung, ist das Stichwort “Maus”. Die Entwicklung wollen wir im ZEIT-Korpus des DWDS, also im Zeitraum von 1946 bis 2015 betrachten. Das Korpus wird wieder in Dekaden unterteilt (SLICE=10), angezeigt werden sollen jeweils die 25 häufigsten Kollokationen (KBEST=”25”). Bis in die 1980er Jahre hinein wird mit dem Wort “Maus” ausschließlich auf das Lebewesen referiert, wobei es in den Texten vor allem als Gegenspieler der Katze und als Versuchstier im Labor auftaucht. Daneben wird auf literarische Figuren referiert, hier vor allem die Comicfigur “Micky Maus”. Erst in den neunziger Jahren wird die Verwendung des Wortes als Peripheriegerät des Computers prominent, was vor allem am gemeinsamen Vorkommen mit “Tastatur” und “Bildschirm” deutlich wird. Dies leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die Computermaus zwar bereits in den 1960er Jahren (von Douglas Engelbart) erfunden wurde, sich aber erst mit der weiteren Verbreitung des PC mit grafischer Benutzeroberfläche in den neunziger Jahren durchsetzte.

"Maus" im ZEIT-Korpus des DWDS