Beispiel 4: “liberal” und “neoliberal” - zwei politische Fahnenwörter
Die Ausdrücke “liberal” und “neoliberal” sind zwei zentrale Begriffe politischer Diskurse der letzten Jahrzehnte. Man kann sie - je nach politischer Auffassung - als Ober- und Unterbegriff, also neoliberal als eine Art von liberal, betrachten, oder als ein Gegensatzpaar (Antonyme). Auf jeden Fall ist es interessant zu sehen, welche Themen mit diesen beiden Stichwörten in den letzten Jahren verbunden wurden.
Wir wählen im Feld PROFILE zunächst den Wert “diff:collocations”. Die Eingabemaske verändert sich dadurch - es ist nun die Eingabe zweier Stichwörter (QUERY), zweier Datumsräume (DATE) und zweier Zeitraumsgrößen (SLICE) möglich. Das Eingabefeld für das jeweils zweite Stichwort hat den gleichen Namen wie das Feld für das erste Stichwort, dem Namen ist aber eine Tilde (~) vorangestellt. Die Parameter mit vorangestellter Tilde beziehen sich immer auf das zweite Stichwort, also der Wert von ~QUERY.
Es ist zunächst ratsam - und so werden wir es in den beiden Beispielen auch halten - für das DATE-Feld und das SLICE-Feld die gleichen Werte zu wählen. In einigen Spezialfällen, auf die wir hier nicht eingehen (s. aber den Abschnitt “Referenz” weiter unten), können für diese Felder abweichende Werte gewählt werden. Als ein weiteres Feld erhalten wir DIFF. Dahinter stecken mehrere Verfahren der Differenzberechnung. In unseren Beispielen belassen wir es bei dem Standardwert adiff. Weitere Details in den Abschnitten “Tipps” und “Referenz”.
- QUERY
- liberal
- ~QUERY
- neoliberal
- GROUPBY
- l,p=NN
Diese enthält die folgenden Informationen:
Angabe | Bedeutung |
---|---|
ascore | Bindungswert des Kollokators mit dem ersten Stichwort (Stichwort a). Der Wert ist 0, wenn Kollokator und Stichwort im Korpus gar nicht miteinander vorkommen |
bscore | Bindungswert des Kollokators mit dem zweiten Stichwort (Stichwort b). |
diff | Differenz zwischen ascore und bscore (in etwa: ascore minus bscore, im Detail kann die Berechnung je nach gewählter Differenzfunktion davon abweichen). Daraus ergibt sich, dass ein hoher Wert eine stärkere Neigung des Kollokators zu Stichwort a, ein niedriger oder gar negativer Wert die stärkere Neigung des Kollokators zu Stichwort b anzeigt |
label | Hier steht das erste Jahr der Zeitscheibe, für die diese Daten erhoben wurden, und zwar sowohl für Stichwort a also auch für Stichwort b, Format: “Zeitscheibe_a - Zeitscheibe_b”, im obigen Beispiel: 1995-1995. |
lemma | Grundform des Kollokators |
pos | Wortart des Kollokators |
Rechts davon befinden sich zwei Schaltflächen. Durch einen Klick auf eine dieser Schaltflächen kann man sich die Belege für Kollokator+StichwortA bzw. Kollokator+StichwortB als KWIC-Konkordanz anzeigen lassen
Wiederum rechts daneben befindet sich ein Farbfeld. Geht die Farbe in das rote Spektrum (gelb-orange-rot), dann neigt der Kollokator zu StichwortA. Geht die Farbe in das blaue Spektrum (grün-blau), dann neigt der Kollokator zu StichwortB.
Es finden sich in diesem Zeitraum also häufiger Textpassagen der Art “liberale Demokratie” und “liberale Partei” (hoher ascore), aber keine Kombination der Art “neoliberale Demokratie” (der bscore ist 0). Umgekehrt finden wir eine “neoliberale Wirtschaftspolitik” sowie eine “neoliberale (Kritik am) Sozialstaat” (hoher bscore) aber nicht bzw. sehr selten “liberale Wirtschaftspolitik” oder “liberaler Sozialstaat” (ascore ist 0). Ob die Vorkommenshäufigkeit gleich 0 oder ein sehr kleiner Wert ist, kann man erkennen, wenn man “text” als Ausgabeformat wählt (in der HTML-Darstellung werden die exakten Werte aus Platzgründen nicht angezeigt). Auch die “Detail”-Sicht liefert die exakten Werte.
Wie oben bereits beschrieben, zeigen die Rottöne eine Affinität zum ersten Stichwort (hier: “liberal”), die Blautöne dagegen Affinität zum zweiten Stichwort (hier: “neoliberal”) an.
Eine weitere Erkenntnis, die wir aus der Betrachtung der kompletten Tabelle ziehen können, ist, dass fast keiner der Kollokatoren ausreichend häufig mit beiden Stichwörtern auftritt. Mit aller Vorsicht können wir daraus schließen, dass die “liberalen” und die “neoliberalen” Diskurse doch sehr unterschiedlich sein dürften. Nur aufgrund einer genaueren Inspektion (close reading) könnte man diese Vermutung bestätigen oder verwerfen.