Beispiel 5: “Häftling” und “Gefangene(r)” - zwei sinnverwandte Wörter

Die beiden Stichwörter “Häftling” und “Gefangene(r)” sind in ihrer Bedeutung sehr ähnlich. Tatsächlich wird im “Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache” das Stichwort “Häftling” unter Zuhilfenahme von Gefangene beschrieben (http://www.dwds.de/wb/Häftling), bei “Gefangene”, Lesart 1 b) wiederum wird Häftling verwendet (s. http://www.dwds.de/wb/Gefangene). Auch im Duden wird bei “Gefangener”, Lesart 2, das Wort Häftling in der Bedeutungsparaphrase verwendet (s. http://www.duden.de/rechtschreibung/Gefangener). Die Frage ist: Sind trotzdem Unterschiede erkennbar?

Die Analyse auf Basis des ZEIT-Korpus kann nach Eingabe der folgenden URL selbst nachvollzogen werden: Beispielanalyse in DiaCollo .

Folgende Beobachtungen können wir anhand der Analysedaten machen: beide Wörter sind mit zentralen Diskursen der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden, (a) Konzentrationslager (prominent in den Zeiträumen, in denen große Prozesse zu diesem Thema vor (deutschen) Gerichten stattfanden, (b) die Lage der deutschen Kriegsgefangenen bzw. der Kriegsgefangenen in Deutschland in den vierziger und fünfziger Jahren, (c) die RAF und Stammheim (ab den 70er Jahren) und (d) Guantanomo (in den nuller Jahren). Über alle Zeitabschnitte hinweg lässt sich beobachten: das Wort “Häftling” wird eher verwendet, wenn der Ort, also das Lager o.Ä., im Zentrum des Diskurses steht und die Personen im Hintergrund stehen, das Wort “Gefangene” dann, wenn die Personen im Vordergrund des Diskurses stehen und der Ort der Gefangenschaft im Hintergrund. Die Wahl des Wortes korreliert also mit der Wahl der Perspektive. Das sollte bei der lexikographischen Beschreibung dieser Wörter und der Illustration durch Belege dargestellt werden. Es gibt für dieses Paar von Stichwörtern außerdem deutlich mehr Kollokatoren, die mit beiden Stichwörtern ausreichend oft gemeinsam vorkommen. Dies stützt die Vermutung, dass beide Wörter eine ähnliche Bedeutung haben.